Eselwandern auf Sardinien

Eselwanderung auf SArdinien als Familie

 

 

Es gab tatsächlich keinen anderen Ausweg. Wir mussten diese Nacht im Zelt verbringen! In der Dunkelheit tastete ich mich vorsichtig über die steinigen Terrassen des Campingplatzes bis zu unseren Zelten vor. In der Ferne hörte man das Donnergrollen, erste Blitze zuckten vom Himmel. Vor den aufragenden Felsen der Cala Goloritzé gab das einen schaurigen Anblick.

Das sind die Momente, wo du es als Mutter die eigene Abenteuerlust verfluchst. Es ist das eine, für sich selbst Wagnisse einzugehen und mögliche Konsequenzen zu tragen. Aber mit Kindern ist das eine ganz andere Nummer, oder?

 

Und eine Nacht bei Gewitter im Zelt finde ich persönlich schon beunruhigend, aber mit Verantwortung für meine Kinder werde ich echt zum Tier, wenn sämtliche Türen des angrenzenden Restaurants abgeschlossen sind und ich meinen Kindern keinen sicheren Unterschlupf bieten kann. 

Eselwandern auf Sardinien

Bisher war die Eselwanderung ein voller Erfolg – anstrengend, aber sehr schön. Wir hatten uns dafür entschieden, 6 Tage mit zwei Eseln auf unbefestigten ehemaligen Hirtenpfaden auf der Ostseite von Sardinien zu wandern, wir erwarteten also keinen Erholungsurlaub. Und wenn man dann schwitzend und schnaufend versucht, am Steilhang einen Esel zum Weiterlaufen zu bewegen („Bitteeee, nur ein paar Schritte!“), wünscht man sich schonmal an den Strand. Aber die Ausblicke aufs weite Meer, der Umgang mit den Eseln, das liebevoll gerichtete Lunchpaket im Schatten von Bäumen sitzend zu genießen, die Gastfreundschaft der Veranstalter sowie das gemeinsame Erleben als Familie lassen die selbstgewählten Strapazen schnell vergessen. Und so sind wir abends müde aber auch sehr zufrieden. 

An jenem Abend bin ich aber vor allem beunruhigt. Das Gewitter ist jetzt da. Die Kinder schlüpfen zu uns ins Zelt und kuscheln sich an uns. Durch die umgebenden Berge hallt der Donner. Gedanken wie: “Immerhin gehen wir gemeinsam drauf“ huschen durch meinen Kopf. Als das Gewitter folgenlos weiterzieht, atme ich auf. 

 

Auch die folgenden Tage sitzt uns immer mal ein Gewitter im Nacken ohne je wirklich nah zu kommen. Wir sind jetzt richtige Eselprofis. Das Aufsatteln, das Anschieben des sturen Esels (der andere läuft von alleine) und das Navigieren per GPS, alles routiniert. Die Esel ihrerseits haben uns in die Herde aufgenommen. Verschwindet ein Mensch hinterm Busch (findet ihr Natur-Pieseln auch so toll?!) gehen sie nicht weiter sondern warten, bis die Herde komplett ist.

 

 

Auf dem Weg begegnen uns freilaufende Ziegen, Schafe und sogar Schweine. Bauernhof-Hunde bellen lautstark, wenn wir ihr Revier streifen, sie sind zum Glück immer angeleint. Andere Menschen begegnen uns nur selten. Dann wird ein Selfie mit uns gemacht – wir sind eine kleine Sensation mit unseren voll beladenen Eseln.

 

Je langsamer das Verkehrsmittel, desto intensiver erlebt man das bereiste Land.

Man sieht insgesamt weniger, aber eigentlich sieht man mehr.

Man nimmt nicht so viele „Sehenswürdigkeiten“ mit, aber man erlebt die Eigenheiten der Menschen, der Kultur und der Natur deutlicher. Das schätzte ich bislang an unseren Radreisen. Zu Fuß empfinde ich das noch stärker. 

Für Kinder (und auch für uns Erwachsene?) entscheiden aus meiner Erfahrung eh die kleinen Eindrücke und Erlebnisse, ob der Urlaub als besonders schön in Erinnerung bleibt. So werden meine Kinder wohl nicht vergessen, wie sie diesen Schmetterling auf der Hand hatten, der von unserem Birnensaft abhaben wollte. 

Die Reise

Unsere Reise hatten wir bei Renatour gebucht. Das Nürnberger Unternehmen hat sich auf naturnahe Reisen spezialisiert. Veranstalter vor Ort sind die zwei Brüder, Michele und Antonio, die ab Santa Maria Navarrese auch kürzere Eseltouren anbieten (Trekking Someggiato). Die beiden sind unglaublich liebenswert und bemüht. Wir kamen uns nie wie Touristen vor, sondern wie Gäste (weißt du, was ich meine?). 

Nach dem ersten Wandertag gemeinsam mit einem der Führer geht es auf eigene Faust weiter. Bewaffnet mit GPX-Daten im Handy und dem Hinweis "don`t worry, step by step" ziehen wir los. Jeden Morgen schauen die beiden nach den Eseln, helfen beim Aufsatteln und besprechen mit uns die Tour. Wir bekommen Lunchpakete in die Satteltaschen der Esel, frisch zubereitet von den Frauen oder Müttern der Familie. Diese mampfen wir auf den mitgeführten Picknickdecken sitzend im Schatten von alten Olivenbäumen, die Esel dösen neben uns. Es ist herrlich ruhig und friedlich. 

Zweimal sind wir abends bei urigen "Selbstversorgerhöfen" zu Gast, zelten dort und bekommen typisch sardisches Abendessen - selbstgemachter Ricotta, Käse und Fleisch von den eigenen Ziegen, eigener Wein, selbstgemachte Ravioli, mmmh. Ein Traum. 

Wer "Typ James Bond" ist - nach dem Einsatz noch blitzsauber - sollte diese Tour nicht machen. Wer wie wir eher "Typ Indiana Jones" ist, der sieht über fehlende Duschmöglichkeiten und typische Campingklos hinweg und ist fasziniert, wie schmutzig Füße durch Schuhe hindurch werden können...

Wir waren 6 Tage mit „unseren“ Eseln unterwegs. Die waren so intensiv, dass sie mir viel länger vorkamen. Den ganzen Tag mit Familie und Eseln draußen unterwegs, den Naturgewalten ausgesetzt, unterm mächtig funkelnden Sternenhimmel schlafen, irgendwo inmitten der weiten Maccia-Landschaft. Oft ohne Handyempfang. Wir waren wirklich „weit weg“ von allem. 

Sind Esel so störrisch wie ihr Ruf?

Nun ja, wer erwartet, seinen "Stiefel" laufen zu können, wie er möchte, wird alsbald durch den netten Wanderkameraden runtergebremst. Für das Wandern mit Kindern ist es aus meiner Sicht gut, denn bei einer Eselwanderung geht es nicht ums Vorwärtskommen sondern ums Erleben unterwegs. Kinder haben Zeit, Entdeckungen am Wegesrand zu machen und immer wieder die Esel zu kraulen. 

Esel reagieren auf Ungewohntes mit Stehenbleiben. Hören sie etwas, checken sie mit ihren Radar-Ohren die Lage und gehen anschließend weiter. Steigungen gehen Esel in ihrem Tempo, gemächlich und immer wieder Pause machend. Durch diese Art können sie bis zu 20% ihres Körpergewichts auch steile Passagen transportieren. 

Büxen sie mal aus, bleiben sie wenig später zum Fressen an einem Busch stehen.

Fressen ist das Stichwort - Esel bewegen sich in freier Wildbahn grasend vorwärts. Lässt man sie gewähren, kommt man nur schrittweise voran. Soll so ein gefräßiges Exemplar zügiger laufen, macht man dies am Führstrick deutlich oder touchiert mit einem Stöckchen an den Hinterbeinen.

 


Ist eine Eselwanderung für Kinder geeignet?

Das kommt natürlich auf das Alter der Kinder und die geplante Tour an. 

Aus meiner Sicht hat die Begleitung durch Esel große Vorteile fürs Wandern mit Kindern: 

  • Die Esel tragen die Ausrüstung, die Kinder haben Hände und Rücken frei
  • Sie sind immer für einen Lacher gut - sei es, dass sie ungeniert dem Hintermann ins Gesicht pupsen oder den Versuch, die Hufe auszukratzen lethargisch gelassen an sich abprallen lassen
  • Esel strahlen eine große Ruhe aus. Das tut allen gut, die sich davon berühren lassen. 
  • Die Kinder haben "wichtige Aufgaben" wie Esel führen, absatteln, striegeln 
  • Man kann den Esel nicht einfach hinter sich herziehen. Er erfordert Präsenz, und so lenkt der Esel vom Laufen ab. 

Kinder lieben Esel, Esel lieben Kinder und nehmen Kuschelattacken gelassen hin. Perfekte Kombi. 

Wie weit kann man mit Eseln wandern?

Von unserem gemütlichen Sofa aus erschienen uns die täglichen Strecken von 5-10km pro Tag easy. In der prallen Sonne Sardiniens mit steinigen Anstiegen wars dann doch genug. Auf hügeligen Forstwegen in der herbstlichen Pfalz wäre die selbe Streckenlänge sicherlich einfacher machbar. Da wir keinen Zeitdruck hatten und durch die Veranstalter für Essen und Unterkunft gesorgt war, war es für niemanden zu viel. 

Auf Nachfrage können kleinere Kinder manchmal ein Stück auf dem Esel reiten. 

Viele Faktoren spielen eine Rolle: die Wandererfahrung der Kinder, die Temperaturen, das Höhenprofil, die Gehfreudigkeit der Esel.


Tipps für Unterwegs

  1. Wenn du befürchtest, dass die Laune unterwegs kippen könnte, habe ich dir hier unsere 20 besten Wanderspiele zusammengestellt. Es ist immer gut, solche Ablenkungsmanöver in Petto zu haben. 
  2. Ein Reisehut schützt vor Sonne und Regen und kann zusammengefaltet in den Rucksack. Hast du auch lange Haare? Meine Tochter und ich tragen gerne diesen Hut mit Pferdeschwanz-Loch. 
  3. Wanderschuhe vorher einlaufen - Blasen kannst du bei der Eselwanderung bestimmt nicht gebrauchen. Wie wäre es mit bequemen Minimalschuhen? Robust genug gegen Eselhufe, flexibel genug für gesunde Füße. Ich trage die hier. 

Fazit

Eselwandern mit Kindern war für uns eine unvergessliche Erfahrung. 

Wir haben mal gesammelt, was uns an einem Urlaub wichtig ist: Tiere, wenig Menschen, wenig Auto fahren, Kontakt zu Einheimischen, draußen sein und die Eigenheiten des Landes kennen lernen war unsere gemeinsame Schnittmenge. Das alles haben wir beim Eselwandern bekommen. Es war wirklich für jeden einzelnen von uns genau richtig. Daher überlegen wir gerade, ob die nächste Reise wieder eine Eselwanderung wird...